Funziun di Giüdee
Die Funziun di Giüdee, die von den Brüdern des Allerheiligsten Sakraments veranstaltet wurde, könnte auf den ersten Blick wie eine Heilige Darstellung mittelalterlichen Ursprungs wirken.
Doch mit den Umzügen, die in Frankreich die Mysterien genannt wurden, hat die Veranstaltung in Mendrisio nur die thematische Nähe (die Passion Christi) und die Inszenierung gemeinsam (die Kostüme, die anlässlich der Einhundertjahrfeier in der Schneiderei der Mailänder Scala bestellt wurden, von denen die gegenwärtigen Kostüme Kopien sind), während sie sich von diese unterscheiden aufgrund des fehlenden Drehbuchs und fehlender Dialoge zwischen den Personen, die sich darauf beschränkten, sich mittels Gesten und stiller Posen auszudrücken.
Auch scheint bereits der Name Funziun di Giüdee eine satirische, respektlose und fast karnevalistisch anmutende Anspielung auf die echten liturgischen Zeremonien wie die Vespern zu sein.
Zum eher profanen Charakter der Gründonnerstagsprozession trug vor allem die Gruppe der Hebräer bei, die sich in der Vergangenheit bereits am Vormittag vor dem Umzug traf, um in den Strassen des wunderschönen Weilers umherzustreifen, auf der Suche nach Christus, dem sie das Kreuz auferlegen wollten. Die ungehörigen Schreie und das ungebührliche Verhalten des jüdischen Mobs, die als wenig vereinbar mit der feierlichen Zelebrierung des Anlasses betrachtet wurden, standen im Mittelpunkt unzähliger Beschwerden während des gesamten 19. Jahrhunderts und zwangen die Organisatoren 1895 dazu, eine Mitteilung herauszugeben, in der zu lesen war, dass die Gemeindeverwaltung dem jüdischen Mob vom Gründonnerstag verbat, vor der abendlichen Prozession durch das Dorf zu ziehen.
Es waren jedoch nicht nur die Personen, die die Hebräer verkörperten, die die Proteste derjenigen hervorriefen, die eine korrektere Veranstaltung wünschten: auch die beiden Schächter und die Drei Marien, die traditionell von vollständig schwarz gekleideten Männern dargestellt wurden und denen man vorwarf, sie würden Gestalten darstellen, die zum Lachen anregten, wurden oft beschuldigt, vor der Prozession zu tief ins Glas zu schauen. Es war ausserdem Brauch, dass der Junge, der den Becher trug, Christus jedes Mal, wenn er hinfiel, echten Wein zu trinken gab, was nicht gerade zur Feierlichkeit der Veranstaltung beitrug.
Ab 1898, dem Jahr, in dem man die erste Einhundertjahrfeier de Prozession beginn (die jedoch erstmals 1697 offiziell erwähnt wurde), nahmen die Ausschreitungen ab, weshalb sich auch die Beschwerden legten und die Veranstaltung einen ernsteren Charakter annahm.